AW: zum Thema Kind in uns.
Zitat von Death by Chocolate:
Du hast aber häufig Recht und Definition - speziell von Akzeptanz - tut not. An deiner Argumentation stört mich etwas und das ist die Wertung.
Hat jemand eine andere Meinung als ich, dann akzeptiere ich das einfach erst einmal ohne jede Wertung.
Welche meiner Argumentationen meinst du?
Ich finde es, wie gesagt, sehr sinnvoll, unterschiedliche Arten von Akzeptieren und Meinung und auch von Werten zu unterscheiden.
Heißt für dich akzeptieren nicht werten? Was heißt dann werten?
Ich glaube, unterschiedliche Schreiber haben recht unterschiedliche Vorstellung hier, was sie mit werten meinen.
Für mich etwa ist werten erstmal nichts Schlimmes. Tut man ständig, bewußt und unterschwellig. Ich bewerte nach süß und sauer, relevant und irrelevant, stimmig und unstimmig, interessant und uninteressant, nett und gräßlich usw.
Wenn ich mitkriege, daß jemand anderes eine Meinung vertritt, die meiner entgegengesetzt ist, hab ich unterschiedliche Möglichkeiten, wie ich dazu Stellung nehme. Die einfachste ist: Desinteresse. Es ist ja seine Meinung, die kann ich ihm lassen, die interessiert mich so wie wenn in China ein Sack Reis umfällt. Habe ich hingegen in irgendeiner Form INteresse am Thema und der Diskussion und möchte ich auf die andere Meinung eingehen, dann sieht es anders aus. Und da gibts verschiedene Möglichkeiten, und auch unterschiedliche Stile und Erwartungen. Einige präferieren beispielsweise, daß sie erst mal lang ausdrücken, daß sie gut finden, daß der andere seine Meinung hat und äußert, und daß ja jeder seine Meinung hat, und daß sie dem anderen nicht ihre Meinung überstülpen wollen und daß ja jede Meinung irgendwie gleichberechtigt ist. Und nach 90% solcher Formulierungen kommen dann die 10% sachliche Äußerung der eigenen Meinung. Viele finden dieses Vorgehen konstruktiv. Und vielleicht ist es für sie das auch. Hängt auch davon ab, was man gewöhnt ist. In vielen Zusammenhängen, in denen ich mich bewege, würde man dieses Vorgehen eher als hinderlich, lähmend, umständlich, betulich, kontraproduktiv usw. empfinden. Sind halt eine Menge von Phrasen, die irgendwo zwischen Selbstverständlichkeit und Irrigkeit liegen.
Ja, auch das ist eine Bewertung. Auch an der ist erstmal nichts Schlimmes. Wenn du von "konstruktiv" sprichst, ist das auch eine Bewertung. Du bewertest ein bestimmtes Diskussionsverhalten als konstruktiv, vermutlich eher im Sinne einer positiven Bewertung, und dabei mehr oder minder andere Arten von Diskussionsverhalten als minder konstruktiv, vermutlich eher im Sinne einer negativen Bewertung.
Macht man ständig, so etwas. Etwas anderes ist es, das auch zu äußern. Da kommen dann viele Höflichkeitsregeln. Etwa daß man zwar positive Bewertungen gerne geben darf, am besten auch noch übertreibt, aber negative Bewertungen eher vermeiden soll, oder abschwächen, eine Zuckerschicht drüberlegen oder sonstwas. Der eine folgt solchen Regeln mehr, der andere weniger. Interessant wird es dann, wie diejenigen, die diesen Regeln mehr folgen, diejenigen beurteilen und bewerten, die es weniger tun.
Und "konstruktiv" und Konsorten: nimmt doch jeder für sich in Anspruch. Ist auch mehr eine Floskel. Auch da gibt es ganz unterschiedliche Weisen, wie etwas konstruktiv wirkt. Und konstruktiv gemeint ist nicht notwendig konstruktiv. Und es kommt auch darauf an, was konstruiert wird. Wenn jemand ein Lügengebäude konstruiert, bewerten das viele ja plötzlich sehr negativ. Gerne auch Menschen, die werten ständig bäh finden. Schau dir die ganzen Klagethreads an. Traurigkeit wird kaum ausgehalten. Sondern muß sich sofort in die Form der Beschuldigung und des Ressentiments gießen. Der abwesende Dritte ist auf jeden Fall mindestens ein Schuft, eher noch ein Betrüger, NPSler, auf jeden fall beziehungsunfähig und unreif. Dasselbe mit mangelndem Glück oder auch Scheitern: sofort muß ein Schuldiger her und müssen deswegen Menschen auf diese Weise bewertet werden. Gerne auch "Er hat nicht zurückgerufen? Vergiß ihn, er ist deiner gar nicht wert!"
Wenn man ein bißchen zurücktritt und sich das anschaut, stellt man fest, daß das häufig genau dieselben Foristen sind, die ständig urteilen, man dürfe hier aber nicht werten.
Und da finde ich es recht empfehlenswert, unterschiedliche Arten von Werten zu unterscheiden. Ich finde solche Formulierungen wie die letzte beispielsweise gruselig. Während es vollkommen ok ist, Behauptungen daraufhin zu beurteilen, ob sie begründet sind oder nicht, selbstwidersprüchlich oder nicht, ob sie stimmig sind oder nicht, ob sie zutreffen oder nicht.
Für mich ist "konstruktiv" kein Zauberwort. Es ist so selbstverständlich, daß mich nicht interessiert, ob jetzt jemand sagt, daß er konstruktiv ist, sondern ich schaue, auf welche Weise er es ist und was er konstruieren möchte. Das Etikett selbst sagt wenig, und wird ohnehin meist als Totschlagargument gebracht: indem anderen bestritten wird, konstruktiv zu sein.
Auch die ist wertfrei zu akzeptieren, genauso wie auch die Emotionen aller Beteiligten.
Siehst du, ich würde sagen: jede Emotion ist eine Art von Bewertung. Welche Art von Emotion hast du, wenn du etwas wertfrei akzeptierst? Was tust du da eigentlich, wenn du etwas wertfrei akzeptierst?