Zuerst Facts: Die Hälfte aller Menschen in der Schweiz (und ich nehme an, auch in Deutschland und Österreich) erkranken mindestens ein Mal im Leben an einer psychischen Störung, die behandelt werden muss. Und ein Prozent aller Menschen in allen Ländern dieser Erde müssen lernen mit dem, was die Psychiater Schizophrenie nennen, umzugehen.
Was bedeuten diese Zahlen? Dass wir alle (einige) betroffene Menschen kennen und dass keiner von uns davor gefeit ist, irgendwann mal ein psychisches Problem zu entwickeln. Es bedeutet aber auch, dass es offensichtlich nach wie vor eine grosse Tabuisierung gibt, und ausserdem - um auch noch etwas Positives darin zu finden, dass viele Leute denken, es beträfe sie nicht - dass viele Betroffene trotz solcher Diagnosen ein gutes Leben führen können und offensichtlich die Umwelt kaum etwas davon mitbekommt.
Statt so erschrocken zu tun über solche Diagnosen, möchte ich Euch dazu einladen, darüber nachzudenken, was das auch bedeuten könnte...
Ich habe folgende Erfahrungen gemacht: Viele Menschen, die psychische Erschütterungen erlebt haben, haben gelernt, besonders achtsam mit sich selbst und mit ihrem Umfeld umzugehen. Nicht selten haben sie sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen für andere entwickelt. Sie haben oft auch gelernt, selbstfürsorglich zu handeln, rechtzeitig ihre Grenzen wahrzunehmen und sich abzugrenzen. Oft können sie deshalb solches Handeln auch bei anderen Menschen als wertvoll erleben und fördern. Nicht selten lernen Menschen durch psychische Erschütterungen auch, andere Prioritäten zu setzen. Sie wissen die kleinen schönen Dinge im Leben zu schätzen und sind nicht mehr so abhängig von Prestige- und Statusdenken.
Ich empfinde solche Qualitäten als wichtig und hilfreich, besonders auch in Beziehungen.
Wofür habt Ihr denn Angst, wenn Ihr so kategorisch dagegen seid, eine Beziehung mit einem psychoseerfahrenen Menschen einzugehen?