Ganz ehrlich, ich würde mich sehr schnell zurückziehen, wenn sich etwas anbahnt, mit jemandem mit einer psychischen Erkrankung. Natürlich muss man schauen, um was es geht. Meine erste große Liebe war ein Mann mit einer schweren Depression und einer Persönlichkeitstörung. Dies ist meine Diagnose im Nachhinein, eine ärztliche Untersuchung oder gar Beratung lehnte er ab. Dies ist aber auch über 30 Jahre her, damals ging kaum jemand offen mit "Sowas" um und in der damaligen DDR waren wir doch sowieso alles so glückliche Menschen, da gab es "dafür" keinen Platz. Doch ich erkannte schon kurz nach dem Kennenlernen, um was es ging. Ich begab mich in eine Art Abhängigkeit, denn er verlangte, dass ich mit niemandem darüber sprechen durfte. Ich war grad 17 und der Illusion erlegen, wenn ich ihn doch nur genug liebte, werde ich ihn "erlösen" und alles wird gut. Wir heirateten und bekamen ein Kind. Doch ich mußt erkennen, dass ich Liebe mit Selbstaufgabe verwechselte und gar nichts gut war. Ich verkümmerte total, es ging ausschließlich um sein Wohlbefinden. Trotzdem: Er setzte seinem Leben ein Ende. Ich konnte noch Jahre später nicht darüber reden, mein "Versagen" saß tief.
25 Jahre später musste ich krankheitsbedingt zwei schwere Medikamententherapien über zwei längere Zeiträume antreten. Die Medies waren dafür bekannt, als Nebenwirkung Depressionen auszulösen. Und das taten sie. Ich erfuhr also, wie es sich anfühlt, eine Depression zu haben und es war einfach grauenhaft. Kaum jemand glaubte mir, weil ich eine Meisterin des Verdrängens war und immer aussah, wie das blühende Leben. Dabei hatte ich bereits Suizidgedanken. Irgendwann nahm ich allen meinen Mut zusammen, offenbarte mich meinem Doc, bekam eine Psychotherapie und Psychopharmaka und stand so die restliche Zeit der Chemo durch. Nach Absetzten der Medies gegen die ursprüngliche Erkrankung verschwand auch die Depression wieder.
Mein erster Kontakt bei PS war ein Mann, der als Beruf Rentner angab, aber erst Mitte 40 war. Er schrieb mich an. Wie gesagt, mein Erstkontakt, ich war neugierig, gleichzeitig unerfahren im online-Dating und fragte per Mail nicht nach. Dann kam das erste Telefonat. Da fragte ich nach, warum er nicht berufstätig sei. Er antwortete mir ehrlich, dass er berufsunfähig sei, wegen schwerer Depression und das schon seit 10 Jahren. Bei mir klappte alles zu, alles früher von mir Erlebte kam wieder hoch und mein Innerstes schrie: Nein, nein, nicht nochmal. Ich sagte nichts, sondern traf ihn sogar. Er mochte mich offenbar sofort überhaupt gar nicht und verabschiedete mich nach kurzem Spaziergang. Er gefiel mir auch gar nicht. Und insgeheim war ich froh, dass es dadurch schon zu Ende war, ohne das die Krankheit weiter thematisiert wurde.
Lange Rede, kurzer Sinn: wenn eine solche Erkrankung gleich im Profil benannt wird, besteht die Gefahr, dass vielleicht viele (wie ich, weil schlimme Erfahrung) gleich weiterklicken würden. Es im Telefonat zu sagen, finde ich aber auch nicht hilfreich, weil man als Gegenüber gar nicht so schnell in der Lage ist, ehrlich zu reagieren. denn wird schon im Gespräch sagen: nee, also dann können wir das Gespräch an dieser Stelle beenden. Vielleicht ist es am besten, erst beim ersten oder zweiten Treffen die Krankheit zur Sprache zu bringen. Kommt auch immer darauf an, was es ist, wie schlimm es ist, wie die Prognose ist und wie die Krankeit den Alltag einer Partnerschaft beeinflussen wird.