Julianna

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  • #1

Vor der Tür

@Synthetik
dein Beitrag:

Mein Beitrag war konstruktiv gemeint.
Ich erkläre ihn dir, infolge deiner liebreizenden Nachfrage, gern:

Es gibt Menschen, die sich ein recht komplexes kognitives Konstrukt erschaffen, um sich selbst zu beruhigen oder zu beschützen oder sich ihren Lebensentwurf zu erklären, zu rechtfertigen und als notwendig und einzig richtige Option zu begreifen.

Manche überschätzen sich dabei selbst, weil sie z.B. über eine lange Zeit immer mehr neue Querverzweigungen brauchen oder immer mehr unrepräsentative Ausnahmen zulassen müssen, um die Quintessenz am Leben zu erhalten.

Und wenn es ihnen über den eigenen Kopf hinaus wächst, benötigen sie Hilfe von außen, um dieses Konstrukt am Leben zu erhalten, weil sie es nur allein mit sich selbst in ihrem eigenen Kopf nicht mehr schaffen können.

Und diese Hilfe finden sie hier im Forum.

Zum Einen über Berichte, die mit der eigenen Sicht im Einklang sind.
Zum Anderen im mantrischen Wiederholen der eigenen Überzeugungen in Reaktion auf Berichte, die der eigenen Sicht entgegenstehen.

Entsprechend, fallen die Reaktionen zuweilen unnachgiebig aus, wenn sie hier auf Informationen treffen, die ihr Konstrukt korrodieren könnten. Folglich müssen diese Informationen negiert, abgewertet oder irgendwie anders entkräftet werden - und sei es zum Schluss nur noch mit dem Verweis auf die ungewisse Zukunft und dass sie doch bitte nach einiger Zeit vom Fortgang berichten sollen.
Mit diesem letzten Strohhalm lässt sich an den Überzeugungen festhalten, denn, wenn die andere Person sich nicht mehr meldet ist ja ganz klar, dass es schief ging und sie sich die Schmach nicht geben mag. Und falls es das nächste halbe Jahr hält, dann muss man nur noch ein weiteres halbes Jahr - oder besser noch ein ganzes Jahr - warten. Sicher ist aber, dass es früher oder später garantiert zum Scheitern verurteilt ist oder die arme andere Person selbstverschuldet in einer unglücklichen Situation verhaften bleibt.

All das ist essentiell für das Selbstbild und das Verständnis über Lebenszusammenhänge, denn für sie steht sehr viel auf dem Spiel. Müsste das eigene Konstrukt tatsächlich und fundamental in Fragegestellt werden müssen, würde wohl leicht eine Existenzkrise folgen.

Eigentlich ziemlich traurig, aber auch auf verworrene Weise verständlich.


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P S.: Mit der "Information", dass ich mein Studium abgebrochen habe, liegst du genau so falsch, wie mit deiner Vorstellung, ich hätte (ein) Kind(er). Wieder kann ich nachvollziehen, überwelchen Informationsfetzen du auf diese Idee kommst und ich kann dir sagen, dass du dir aus Halbinformationen ganz wild sehr viel zusammenreimst, ohne für deine Schlussfolgerungen hinreichende Hinweise zu haben. Alles deine Einbildung.
Aber danke, es ist interessant zu sehen, wie deine Wahrnehmung funktioniert.



Ich kann dem Konstruktivismus sehr viel abgewinnen. Jeder hat ein Konstrukt von Begriffen und Objekten im "Kopf". Unsere Sprache ist begrenzt. Wir müssen "Begriffe" irgendwie "füllen". Und hier endet das "Sprachvermögen".

Für "Konstrukte" wie ...Waschmaschine, Teppich, Buch oder Taschentücher, haben wir gute Übereinkünfte. Schaut man sich aber andere Begriffe an, wie zum Beispiel "Respekt" oder "Unabhänigkeit" oder "Wohlwollen" oder "Schönheit" oder "Vertauen" oder "Liebe".... hört unser Verständnis schnell auf... so sind diese Wörter vom Gegenüber mit Inhalt zu füllen, gleichwohl haben wir eine eigene Meinung und Erfahrung zu solchen Begriffen.

Wir erfinden und bauen Konstrukte seit unserer Geburt.
Konstrukte sind aber nicht starr und bewegungslos. Sie werden überarbeitet.
Assimilation und Adaption.
Konstrukte können sehr abstrakt sein. Das "Drehbuch vom Leben" kann sehr unterschiedlich ausfallen.

Deine Ausführung, jemand müsse (?) sein Konstrukt überdenken, gar dem deinen anpassen, ist falsch. Begriffe wie "Wahreit" oder "Realität", sind subjektiv und in Kontext eingebunden.

Zu behaupten, dass ein "Konstrukt" falsch ist, halte ich nicht für die richtige Wahl des Mittels.

Man stelle sich vor, da baut jemand viele Jahre - Jahrzehnte - an einem (Taum)haus. Die Vorhänge wohl gewählt, die Fenster gestrichen, die Tapete und auch die Fliesen im Bad - keine einfache Entscheidung. Wenn das Haus steht und fertig ist, wenn das Konstrukt 100 mal überprüft wurde, die Statik, die Optik, die Funktionalität.... dann wird Synthetik da nichts mehr einreißen. Und auch sonst niemand.
Jeder hat ein Recht auf seinen Konstruktivismus. Wenn jemand, wie laut deiner Aussage, in "unglücklichen Situationen verhaftet bleibt", so ist dies nur dein Konstrukt. Das ist aber nur für dich von Bedeutung. You see.

PS: Was deine genannte "Einbildung" betrifft, so können wir diese gern zur "Bildung" machen, wenn es dir beliebt.
 
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Pit Brett

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  • #2
Ich hab nicht verfolgt, um was es geht. Aber ich ahne es wegen
Wenn das Haus steht und fertig ist, wenn das Konstrukt 100 mal überprüft wurde, die Statik, die Optik, die Funktionalität.... dann wird Synthetik da nichts mehr einreißen..
Doch. Auch nach der hundertsten Überprüfung ist es vielleicht nicht das, was der Bauherr wollte oder dem Architekten vorgeschwebt hat, Was denkst Du denn, warum man so oft von vorne anfängt (zB in der Forschung), wenn man ein Ziel vor Augen hat. Hundert Mal, zweihundert Mal heißt das Ergebnis: Gute Idee, aber funzt ned.
 
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Julianna

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  • #5
Davon rede ich doch. Ist der Gedanke so schwer zu erfassen? Steht doch nun wirklich wörtlich da.

Der Mensch ist kein reguläres Forschungsobjekt. Kein Wackelpudding, der sich in seiner Zusammensetzung analysieren ließe.

Auch nach der hundertsten Überprüfung ist es vielleicht nicht das, was der Bauherr wollte oder dem Architekten vorgeschwebt hat, .
Wenn dem so ist, dann wird das "Konstrukt" überdacht und erweitert oder erneuert. Aber mit zunehmender Stabilität ist das Konstrukt auch irgendwann sehr gefestigt. Wir verlieren mit den Jahren die Eigenschaft der Assimilation und der Adaption, ganz bewusst.

Was denkst Du denn, warum man so oft von vorne anfängt
Nicht immer sind wir bereit unsere Konstrukte (Vorstellungen) zu ergänzen, zu erweitern und umzuorganisieren. Manchmal gibt es gute Gründe dafür.

Man kann hier beide "Extreme" beobachten. Die einen, die starr sind und nichts mehr ummodelieren, und die anderen, die ständig erneuern und ihren Weg nicht finden.
So schreibt Synthetik zum Beispiel an fafner
Mein Problem ist, dass ich mich schwer für einen Interpretations- oder Erklärungsansatz aus den vielen möglichen Varianten entscheiden kann.
 
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  • #6
@Julianna , danke dass du den Beitrag von @Synthetik zitiert hast. Offenbar hat ihn jemand gemeldet (zumindest finde ich ihn auf die Schnelle nicht).
Aber dank deines vorausschauenden Zitierens kommen auch die in den Genuss der Analyse, die sonst - wie des öfteren auch - einfach zu langsam sind :D
 
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Julianna

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Howlith

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  • #10
Auch wenn ich die Auseinandersetzung nicht mitverfolgt habe, scheint es mir um eine dieser leicht ins endlose abdriftenden Diskussionen hier zu gehen ... here are jmtc.

(...) Begriffe wie "Wahreit" oder "Realität", sind subjektiv und in Kontext eingebunden.
(...)

Oha. Ich dachte ja immer, dass die Realität unabhängig davon existiert ob oder wie wir sie wahrnehmen. So gesehen kann Realität nur objektiv sein. Was sicherlich subjektiv sein wird (und auch nur subjektiv sein kann), das ist unsere Wahrnehmung der Realität.

Wahrheit scheint mir dagegen ... ein dehnbarer Begriff zu sein.

(...) Auch nach der hundertsten Überprüfung (...)

Tja, so ist das nun mal, auch nach einhundert mal "ja, das stimmt" reicht ein einziges "nein, es stimmt doch nicht" aus, und das Ganze fällt in sich zusammen.
 

fafner

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  • #15
Zu behaupten, dass ein "Konstrukt" falsch ist, ...
... ist m.E. durchaus richtig, wenn andere belästigt / beschädigt werden, was ja @Synthetik so geschrieben hatte.
Dies obliegt aber nicht der Entscheidung anderer. Der "Bauherr" entscheidet drüber. Auch wenn der Nachbar denkt, dass das Objekt ihm missfällt.
Es gibt aber noch so etwas wie Statik, gegen welche nicht beliebig gebaut werden kann, und es gibt Behörden, die Wildwuchs verhindern. Völlig zurecht.

Gerade gegen die Statik verstoßen wohl so einige dieser Konstrukte, von denen die Rede war... o_O
 
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  • #16
... ist m.E. durchaus richtig, wenn andere belästigt / beschädigt werden, was ja @Synthetik so geschrieben hatte.
Es gibt aber noch so etwas wie Statik, gegen welche nicht beliebig gebaut werden kann, und es gibt Behörden, die Wildwuchs verhindern. Völlig zurecht.

Gerade gegen die Statik verstoßen wohl so einige dieser Konstrukte, von denen die Rede war... o_O
... vom Nachbarrecht ganz zu schweigen ! :rolleyes:
 

Julianna

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  • #18
... ist m.E. durchaus richtig, wenn andere belästigt / beschädigt werden, [...]
Belästigung und Beschädigung, sind ebenfalls „Konstrukte“, worunter man sich verschiedenes vorstellen kann.
Welche Rechte hat denn der Nachbar?
Wie würdest du es sehen, wenn dein Nachbar Dir übern Zaun hinweg Tipps gibt oder gar klare Anweisungen, dass dein Rasen für seinen Geschmack noch 3 mm zu hoch ist, ob du da nicht noch mal „nachbessern“ magst, weil das ja so gar nicht geht ;)
 

fafner

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  • #19
@Julianna - mir ist nicht klar, was Du willst. Ich fand die Ausführungen von @Synthetik jedenfalls überzeugend.
 

Julianna

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  • #20
@Julianna - mir ist nicht klar, was Du willst. Ich fand die Ausführungen von @Synthetik jedenfalls überzeugend.
Mir geht’s darum, ab wann und mit welcher Begründung man anderen sein Konstrukt von etwas „aufzwingen“ oder als einzig richtige Erkenntnis verkaufen kann/darf/sollte?

Wenn man 10 Personen sagt „Baut einen Tisch“, werden vermutlich 10 verschiedene Tische entstehen. Einer mit 3 Beinen, einer mit einem Bein, einer ohne Beine, weil man ihn an die Wand clipt, ... in verschiedenen Formen, Farben und Materialien. Erstellt mit unterschiedlichem Werkzeug.

Wenn man 10 Personen eine exakte Anleitung gibt, wie ein Tisch auszusehen hat und Werkzeug, sowie Materialien vorgibt, und erwartet, dass nur dieser eine Tisch als Tisch gelten darf.... dann wird das Konstrukt „Tisch“ anderen aufgezwungen. Andere Ideen und Vorstellungen sind unerwünscht. Und wehe einer der 10 Personen, kommt mit den vorgegebenen Werkzeugen oder dem Material, oder der Anleitung nicht zurecht und macht vieles „falsch“ in den Augen des „Anleitenden“.... dann wird dieser kritisiert und zurecht gewiesen. Widerstand zwecklos.

Und wenn da zwei Streiten - darüber, wie der Tisch - der einzig wahre Tisch - auszusehen hat, und sich die Fronten verhärten, da jeder auf seiner Meinung beharrt, und gegenseitig versucht wird, dem anderen sein Konstrukt aufzuzwingen.... kommt es wohl zu solchen Phänomenen, dass jeder dem jeweils anderen den „Spiegel vorhalten“ will.
Du bist starr - assimiliere mein Konstrukt!
Nein, du bist starr - adaptiere du mein Konstrukt!
Wieso beharren beide Parteien auf ihrem Konstrukt als einige wahres/korrektes?
 
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fafner

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  • #21
Mir geht’s darum, ab wann und mit welcher Begründung man anderen sein Konstrukt von etwas „aufzwingen“ oder als einzig richtige Erkenntnis verkaufen kann/darf/sollte?
Bei sehr wackligen Tischen (einbeiniger z.B.) braucht es dann andere, um dieses Konstrukt am Leben zu erhalten. Andere, denen es lästig ist, mit so einem Eibeintischbauer. Kann ich verstehen. Also da wäre die Grenze eben überschritten.
 
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ICQ

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  • #23
Ich werde das Gefühl nicht los, dass beide in der Metaebene eigentlich das gleiche meinen, aber keine der anderen Recht geben will.
 
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  • #28
Nee, @Julianna hat doch mit der Osterhasenaussage schon vorhergesehen, dass sie es trotz Erklärung nicht verstehen wird.

Gerade darum geht es auf dieser Ebene.

Ich denke diese Schwierigkeit liegt in der Beziehungsebene begründet.
Wenn die Beziehungsebene es nicht zulässt werden Argumente nicht dazu führen dass jemand seine Überzeugung revidiert. Vor allem dann nicht wenn beide Seiten Unterstützer finden, zu denen die Beziehung besser ist.
 
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