Nein, das belastet mich nicht und greift mich auch nicht an.
Findest du es nicht auch interessant, dass wir - entgegen unseren Vorsätzen - immer wieder in diese Diskussion geraten? Vielleicht sollten wir uns fragen, was uns das bringen soll, wo die Chancen liegen.
Dummerweise scheint aber jeder nur das zu sehen, was es dem anderen bringen soll.
Also bitte ich dich, mir ganz deutlich zu sagen, was deine Botschaft an mich ist. Das was bisher bei mir ankam bzw. von mir interpretiert wurde, ist es wohl nicht.
Für mich spielt da wohl hinein, dass ich es kaum aushalte, wenn ich mich dermassen falsch verstanden fühle, wie das bei dir der Fall ist. Und weil ich als Kind nicht den Eindruck hatte, dass es jemanden interessiert hätte, mich zu verstehen, ist da bei mir ein übertrieben grosses Bedürfnis danach. Ich war deshalb recht heftig von Erklärbäritits infiziert, dies hat sich aber eigentlich stark verbessert und ich fühle mich auch nicht mehr so oft wirklich falsch verstanden. Von dir hingegen schon. Auf recht extreme Weise. Mir kommt das so vor, als ob du ein Bild von mir hättest, vor dir an der Wand aufgehängt, das gar nicht mich zeigt, vielleicht aber mir ein klein wenig ähnelt, wie ich vor langer Zeit mal war, und als ob du dich immer an dieses Bild richtest und ihm Dinge erklärst, die mir ganz klar sind. Ich stehe daneben und sage etwas ganz anderes, aber das kommt bei dir nicht an. Du redest an mir vorbei und wenn ich mal etwas sage oder frage, das mich interessiert, dann eröffnest du aus meiner Aussage Tausend Themen, die weder mit mir noch mit dem, was ich sagen oder fragen wollte, wirklich zu tun haben. Und dann werde ich wütend. Ich versuche dann, dir zu sagen, dass du an mir vorbeischreibst und erneut auf meine Themen hinzuweisen, aber das wiederholt und wiederholt sich, und irgendwann bin ich total frustriert und empfinde es als sinnlos verschwendete Zeit.
Ich habe das Gefühl, dass du mich irgendwie als armes Ding siehst, das etwas dumm ist und verständnislos und dich einfach nicht verstehen kann. Vielleicht spielt da auch sowas wie Stigmatisierung mit hinein, vielleicht verwechselst du mich eine Art mit jemandem, mit dem du mich in denselben Topf geworfen hast. Du hast dieses Bild, das vermeintlich meins ist, irgendwo tief an der Wand hängen und sprichst zu ihm, in wohlwollender Gönnerhaftigkeit herunter. Und merkst nicht, dass ich daneben auf Augenhöhe stehe.
Und ich tue, wenn es ums Thema Ethik geht, wohl dasselbe, denke, das kümmere dich zu wenig, du hättest kein Verständnis für die Wichtigkeit, uns bewusst zu sein, dass wir mit unseren Privilegien sehr viel Schaden anrichten (können) für die Menschen anderswo und in der Zukunft. Du und ich, wir leben natürlich auch ganz anders. Du bist (für mich zumindest) ein reicher Mann und ich überlebe mit sehr wenig Mitteln und bin damit auch eigentlich zufrieden, empfinde es manchmal gar als Vereinfachung und Entlastung. Vielleicht habe ich in dieser Hinsicht auch ein gewisses Sendungsbewusstsein, ich möchte den Menschen gerne näher bringen, dass die wirklich wichtigen, berührenden, bewegenden, erfüllenden und bereichernden Dinge, nichts mit materiellem Wohlstand und seinen Möglichkeiten zu tun haben. Das siehst du, glaube ich, anders.
Ich denke, ein Teil des Problems ist, dass wir unserem Leben einen ganz anderen (expliziten) Sinn geben und dass wir dies, wie es der jeweils andere sieht, nicht wirklich verstehen können, sondern irgendwie problematisch finden. Dass wir dies so schwierig finden, könnte damit zu tun haben, dass es uns beiden besonders wichtig ist, eine klare Orientierung im Leben zu haben, dass wir beide auch den Eindruck haben, diesbezüglich durch harte Arbeit an uns und unseren (ehemaligen Problemen) und durch viel Engagement für das, was uns bedeutsam erscheint, stark vorwärts gekommen und uns positiv entwickelt zu haben. Wir empfinden das als Bereicherung und sind auch ein wenig stolz darauf, weil wir denken, dass es auch nicht unbedingt allen so gut gelingt. Und weil es uns so geholfen hat, geben wir es auch gerne anderen weiter. Nun ist das aber wohl so, dass wir vielleicht in gewissen Dingen zwar in eine ähnliche Richtung laufen, aber doch mit einem anderen Ziel und (teilweise) anderen Methoden. Und jeder ist von seinem Ziel und seiner Methode total eingenommen und beglückt. Dann kommt noch dazu, dass wir oft dieselben Worte unterschiedlich verstehen. (Das, was ich hier über dich schreibe, ist natürlich mein Bild von dir, das aber eventuell nicht stimmt. Falls du es nicht zutreffend findest, würde es mich interessieren, wie das für dich aussieht.)
Manchmal kommen aber auch so Momente auf, wo ein gewisses gegenseitiges Verständis aufschimmert, und das fühlt sich dann gut an und ist vielleicht auch der Motivator, es immer wieder von Neuem zu versuchen.