Zeus nun und die übrigen Götter hielten Rat, was sie mit ihnen anfangen sollten, und sie wussten sich nicht zu helfen; denn sie wünschten nicht, sie zu töten und ihre ganze Gattung zugrunde zu richten, gleichwie sie einst die Giganten mit dem Blitze zerschmettert halten – denn damit wären ihnen auch die Ehrenbezeugungen und Opfer von den Menschen gleichzeitig zugrunde gegangen –, noch auch durften sie sie ungestraft weiter freveln lassen. Endlich nach langer Überlegung sprach Zeus: »Ich glaube ein Mittel gefunden zu haben, wie die Menschen erhalten bleiben können und doch ihrem Übermut Einhalt geschieht, indem sie schwächer geworden. Ich will nämlich jetzt jeden von ihnen in zwei Hälften zerschneiden, und so werden sie zugleich schwächer und uns nützlicher werden, weil dadurch ihre Zahl vergrößert wird, und sie sollen nunmehr aufrecht auf zwei Beinen gehen. Wenn sie uns aber dann auch noch fernerhin fortzufreveln scheinen und keine Ruhe halten wollen, dann werde ich sie von neuem in zwei Hälften zerschneiden, so dass sie auf einem Beine hüpfen müssen wie die Schlauchtänzer.« Nachdem er das gesagt, schnitt er die Menschen entzwei, wie wenn man Beeren zerschneidet, um sie einzumachen, oder Eier mit Pferdehaaren. Wen er aber jedesmal zerschnitten hatte, dem ließ er durch Apollon das Gesicht und die Hälfte des Nackens umkehren nach der Seite des Schnittes zu, damit der Mensch durch den Anblick seiner Zerschnittenheit gesitteter würde, und befahl ihm dann, das übrige zu heilen. Apollon kehrte also das Gesicht um, zog die Haut von allen Seiten nach dem, was jetzt Bauch heißt, hin und band sie dann, indem er eine Öffnung ließ, welche man jetzt bekanntlich Nabel nennt, wie einen Schnürbeutel mitten auf demselben zusammen. Und die meisten übrigen Runzeln glättete er und fügte so die Brust zusammen, indem er sich dabei eines ähnlichen Werkzeuges bediente, wie der Holzfuß der Schuhmacher, auf welchem sie die falten des Leders ausglätten: einige wenige aber ließ er zurück, nämlich eben die um den Bauch und den Nabel, zum Denkzeichen der einst erlittenen Strafe.
Als nun so ihr Körper in zwei Teile zerschnitten war, da trat jede Hälfte mit sehnsüchtigem Verlangen an ihre andere Hälfte heran, und sie schlangen die Arme um einander und hielten sich umfasst, voller Begierde, wieder zusammenzuwachsen, und so starben sie vor Hunger und Vernachlässigung ihrer sonstigen Bedürfnisse, da sie nichts getrennt von einander tun mochten. Und wenn etwa die eine von beiden Hälften starb und die andere noch übrig blieb, dann suchte diese sich eine andere und umfasste sie, mochte sie dabei nun auf die Hälfte eines ganzen Weibes, also das, was wir jetzt Weib nennen, oder eines ganzen Mannes treffen, und so gingen sie zugrunde.
Da erbarmte sich Zeus und erfand einen andern Ausweg, indem er ihnen die Geschlechtsglieder nach vorne versetzte; denn bisher trugen sie auch diese nach außen und erzeugten und gebaren nicht in einander, sondern in die Erde wie die Zikaden. So verlegte er sie also nach vorne und bewirkte dadurch die Erzeugung in einander, nämlich in dem Weiblichen durch das Männliche, zu dem Zwecke, dass, wenn dabei ein Mann auf ein Weib träfe, sie in der Umarmung zugleich erzeugten und so die Gattung fortgepflanzt würde; wenn dagegen ein Mann auf einen Mann träfe, sie wenigstens von ihrem Zusammensein eine Befriedigung hätten und so, von dieser gesättigt, inzwischen ihren Geschäften nachgingen und für ihre übrigen Lebensverhältnisse Sorge trügen. Seit so langer Zeit ist demnach die Liebe zu einander den Menschen eingeboren und sucht die alte Natur zurückzuführen und aus zweien eins zu machen und die menschliche Schwäche zu heilen.
Jeder von uns ist demnach nur eine Halbmarke von einem Menschen, weil wir zerschnitten, wie die Schollen, zwei aus einem geworden sind. Daher sucht denn jeder beständig seine andere Hälfte. Soviele nun unter den Männern ein Schnittstück von jener gemischten Gattung sind, welche damals mannweiblich hieß, die richten ihre Liebe auf die Weiber, und die meisten Ehebrecher sind von dieser Art, und ebenso wiederum die Weiber, welche mannsüchtig und zum Ehebruch geneigt sind. Soviele aber von den Weibern ein Schnittstück von einem Weibe sind, die richten ihren Sinn nur wenig auf die Männer, sondern wenden sich weit mehr den Frauen zu, und die mit Weibern buhlenden Weiber stammen von dieser Art. Die Männer endlich, welche ein Stück von einem Mann sind, die gehen dem Männlichen nach, und solange sie noch Knaben sind, lieben sie, als Schnittlinge der männlichen Gattung, die Männer und haben ihre Freude daran, neben den Männern zu ruhen und von Männern umschlungen zu werden, und es sind dies gerade die trefflichsten von den Knaben und Jünglingen, weil sie die mannhaftesten von Natur sind. Manche nennen sie freilich schamlos, aber mit Unrecht: denn nicht aus Schamlosigkeit tun sie dies, sondern aus mutigem, kühnem und mannhaftem Geistestriebe, mit welchem sie dem ihnen Ähnlichen in Liebe entgegenkommen. Ein Hauptbeweis hierfür ist der, dass solche allein, wenn sie herangewachsen sind, Männer werden, die sich den Staatsgeschäften widmen. Sind sie aber Männer geworden, dann pflegen sie die Knaben zu lieben; auf Ehe und Kindererzeugung dagegen ist ihr Sinn von Natur nicht gerichtet, sondern sie werden nur vom Gesetze dazu gezwungen; vielmehr würde es ihnen genügen, ehelos mit einander das Leben zuzubringen. Kurz, ein solcher wird jedenfalls ein Knabenliebhaber, sowie ein Freund seines Liebhabers, indem er immer dem ihm Verwandten anhängt.
Wenn nun dabei einmal der liebende Teil, der Knabenliebhaber sowie alle andern, auf seine wirkliche andere Hälfte trifft, dann werden sie von wunderbarer Freundschaft, Vertraulichkeit und Liebe ergriffen und wollen, um es kurz zu sagen, auch keinen Augenblick von einander lassen. Und diese, welche ihr ganzes Leben mit einander zubringen, sind es, welche doch auch nicht einmal zu sagen wüssten, was sie von einander wollen. Denn dies kann doch wohl nicht die Gemeinschaft des Liebesgenusses sein, um dessen willen der eine mit dem andern so eifrig zusammenzusein wünscht: sondern nach etwas anderem trachtet offenbar die Seele von beiden, was sie nicht zu sagen vermag, sondern nur ahnend zu empfinden und in Rätseln anzudeuten. Und – wenn zu ihnen, – während sie dasselbe Lager teilten, Hephaistos mit seinen Werkzeugen hinanträte und sie fragte: »Was wollt ihr Leute denn eigentlich von einander?« und, wenn sie es ihm dann nicht zu sagen vermöchten, sie von neuem fragte: »Ist es das etwa, was ihr wünscht, möglichst an demselben Orte mit einander zu sein und euch Tag und Nacht nicht von einander zu trennen? Denn wenn es euch hiernach verlangt, so will ich euch in eins verschmelzen und zusammenschweißen, so dass ihr aus zweien einer werdet und euer ganzes Leben als wie ein Einziger gemeinsam verlebt, und, wenn ihr sterbt, auch euer Tod ein gemeinschaftlicher sei, und ihr dann wiederum auch dort im Hades einer statt zweier seid. Darum seht zu, ob dies euer Begehr ist, und ob dies euch befriedigen würde, wenn ihr es erlangtet«; – wenn sie, sage ich, dies hörten, dann würde gewisslich kein Einziger es ablehnen oder zu erkennen geben, es sei etwas anderes, was er wünschte; sondern jeder würde gerade das gehört zu haben glauben, wonach er schon lange Begehr trug: vereinigt und verschmolzen mit seinem Geliebten aus zweien eins zu werden.
Der Grund hiervon nämlich liegt darin, dass dies unsere ursprüngliche Naturbeschaffenheit ist, und dass wir einst ungeteilte Ganze waren. Und so führt die Begierde und das Streben nach dem Ganzen den Namen Liebe. Und vor Zeiten, wie gesagt, waren wir eins; nun aber sind wir um unserer Ungerechtigkeit willen getrennt worden von dem Gott, wie die Arkader von den Lakedaimoniern. Und es steht daher zu fürchten, wenn wir uns nicht gesittet betragen gegen die Götter, dass wir dann von neuem zerspaltet werden und so von Ansehen herumlaufen müssen wie die auf den Grabsteinen ausgehauenen Reliefs: mitten durch die Nase durchgesägt wie halbierte Marken.
Deswegen muss man jedermann antreiben, ehrfürchtig gegen die Götter zu sein, damit wir diesem Geschicke entgehen und dagegen dasjenige erlangen, zu welchem uns Eros Führer und Hort ist. Dem handle niemand entgegen; es handelt dem aber entgegen, wer sich den Göttern verhasst macht. Denn wenn wir mit der Gottheit uns befreunden und versöhnen, so werden wir den uns eigentlich angehörigen Liebling finden und erlangen, was jetzt nur von wenigen erreicht wird. Und Eryximachos möge mir dies nicht, um meine Rede ins Lächerliche zu ziehen, so aufnehmen, als ob ich damit auf den Pausanias und Agathon anspiele – denn vielleicht gehören auch diese in der Tat zu den wenigen und sind ihrem Ursprunge nach die Hälften eines Mannes –; ich habe vielmehr alle, Männer und Frauen, im Sinn, wenn ich sage, dass so unser Geschlecht glückselig sein würde, wenn wir das Ziel der Liebe erreichten und jeder den ihm eigentümlichen Liebling erlangte und mit ihm in die alte Natur zurückkehrte. Wenn aber dies das Höchste ist, so muss notwendig in unsern jetzigen Zuständen das diesem Zunächstliegende das Beste sein; dies aber ist, einen Liebling zu finden, der nach unserem Sinne geartet ist; und dem Gott, der uns dies gewährt, müssen wir mit Fug und Recht lobsingen, dem Eros, welcher uns für die Gegenwart die größte Hilfe bereitet, indem er uns zu dem uns Verwandten hinleitet, für die Zukunft aber die größten Hoffnungen in uns erregt, er werde, wenn wir die Ehrfurcht gegen die Götter bewahren, zu dieser ursprünglichen Natur uns zurückführen und durch Heilung unserer Schwäche uns glücklich und selig machen.
Dies, sprach er, lieber Eryximachos, ist meine Rede über den Eros, sehr verschieden von der deinigen. Wie ich dich nun schon bat, so ziehe sie nicht ins Lächerliche, damit wir auch von den übrigen hören, was ein jeder sagen wird, nämlich jeder von beiden, denn nur Agathon und Sokrates sind noch übrig.