AW: Mann mit Asperger beziehungsfähig?
Hallo,
so ganz pauschal kann man das sicher nicht beantworten, so wie es in jedem Charakter-Bild viele Facetten von Schwarz bis Weiß gibt, sind auch die Ausprägungen bei Autismus-Eigenarten sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Bin selbst Asperger-"begabt" (nicht gestört) - und eigentlich ziemlich gut auf meine Umwelt trainiert.
War 13 Jahre verheiratet und habe 3 Kinder - und der Grund der Trennung war nicht das "Anders"-Sein - dieses wurde auch eher zufällig diagnostiziert, als Autismus bei unserer Kindern festgestellt wurde. Ich bin damit vorher eigentlich intuitiv richtig umgegangen, weil es mir so gut geht,...
Ich habe ein paar Probleme, von mir aus Kontakt zu anderen Personen aufzunehmen, solange ich mich unsicher fühle - ich kann mich stark fokussieren und "in ein Problem" abtauchen - und bin dann teilweise für die Umwelt nicht mehr ansprechbar - das ist aber eine Frage des Trainings, diesen Zustand an- und abzuschalten, dass durchaus erlernbar ist.
Ich weiß häufig im sozialen Umfeld nicht, was ich da soll, wenn niemand bei mir ist, an den ich mich halten kann - wozu sollte ich alleine auf eine Grillparty gehen? Was soll ich da mit anderen reden? Schwierig - Smalltalk ist meine Schwäche, dass kann ich nicht gut, ... dafür kann ich vor hunderten Zuhörern Fachvorträge halten oder als Bereichsleiter mit vielen Mitarbeitern MA-Gespräche führen usw.
In der Karriere war das eher förderlich (schnell Führungskraft geworden, IT/Elektronik-Branche,...) - sozial ist es eine "Herausforderung" - aber genau so würde ich es auch sehen:
Nicht als Behinderung - und man sollte sich nicht darauf berufen nach dem Motto: Es geht ja nicht anders - vieles geht eben doch, wenn man es will/trainiert/lernt - man sieht die Welt ein wenig anders - aber anders ist nicht gleich schlechter,...
Allerdings würde ich es auch nie in den Vordergrund rücken - die meisten in meinem Umfeld wissen das nicht - und es ist auch egal - ich bin ein Mensch, der so seine Macken hat und seine Vorzüge und tolle Sachen kann und andere Sachen nicht gerne mag - so wie jeder Mensch,... dass es sich bei mir häuft, dass ich nur mit ganz wenig Personen Körperkontakt (Umarmen u.ä.) zulasse und dass ich auf Partys eher fehlplatziert wirke - bis mich jemand in ein interessantes Gespräch verwickelt (das geht) - das ist halt so - und ich glaube, dass es andere Menschen "ohne Behinderung" gibt, die wesentlich schlimmere Macken haben ;-)
Dafür sind "wir" in der Regel mit die Zuverlässigsten und Ehrlichsten Menschen, die es so gibt (das kann auch anstrengend sein) - und manchmal fehlt ein wenig das Feingefühl "Ehrlichkeit" in "Höflichkeit" zu verstecken, wie es sozial erwartet wird - wobei man das meist nicht böse meint und eher überrascht ist, wenn der Gegenüber einen dann für Herablassend oder Arrogant hält - dabei hatte man das nie vor - man wusste ein fachliches Thema nur einfach besser...
(Häufig paart sich Asperger (zumindest bei uns) auch mit Hochbegabung bzw. Spezialbegabung), daher ist man meist sowieso seit Geburt eher der Nerd / mehr der Sheldon als der Lennard-Typ *g*
Ich würde nie die Beziehungsfähigkeit von einer "Diagnose" oder einem "Wort" für ein "Anders als der Durchschnitt" abhängig machen,...
Wenn du die Person kennenlernst und damit gut klar kommst - prima - wenn nicht, ist es eigentlich egal - was dazu führt, dass es Dinge gibt, die dich stören - das kann auch völlig unabhängig von bestimmten Gehirnströmen sein und einfach so eine Charakterschwäche sein,...
Ich würde auch nie mein Asperger als Entschuldigung für falsches Verhalten anführen - es ist da eher eine Herausforderung, weiter zu lernen, warum man sich falsch verhalten hat und sich selbst weiterzubilden - insofern kann man auch idealer Partner für viele tolle Dinge sein, weil "wir" es von Kindheit an gewohnt sind, uns gut an die Umwelt zu adaptieren, das tolle darin zu sehen und fasziniert das auszuprobieren, was alle anderen anscheinend toll finden ;-))
(Aber nochmal: Es gibt von - bis - das ist nur meine ganz eigene / persönliche Erfahrung damit... bei Kindern stellt sich das häufig extremer dar, da hier der Trainingseffekt noch fehlt - also wenn Sohnemann mal wieder 2 Stunden in der Ecke sitzt und nicht ansprechbar ist, weil er "überrascht" wurde - und ich ihn nicht wochenlang auf die Situation vorbereiten konnte - dann ist das schon extrem anstrengend - ist im Erwachsenenalter aber i.d.R. nicht mehr so, es sei denn, man lässt es zu - und es kann mir nur ein Extremfall erzählen, dass man da nicht ein wenig eigene Willenskontrolle hat - man tickt anders - ja - aber eben nur "anders normal" *g*)
Keine Ahnung, ob dir mein Monolog hilft - aber ich wünsche dir / euch alles Gute!
Viele Grüße von der Ostsee,
BJörn