Ich versuche mal, mich im religiösen Denkmuster zu bewegen:
Neben vielen anderen Problemen geht es um die Unauflöslichkeit der Ehe, zumindest nach katholischem Verständnis. Die kirchlich geschlossene Ehe von Katholiken ist eben ein Sakrament, das sich die Eheleute gegenseitig spenden, und als Abbild der Liebesbeziehung zwischen Christus und seiner Kirche verstanden wird. Das christliche Ehepaar symbolisiert oder wiederholt durch ihr Eheversprechen Christi Liebe zu seiner Kirche. Da auch diese unververbrüchlich ist, ist auch die Ehe nicht zurückzunehmen und nicht aufzulösen. Das mag man für blöd halten, aber so ist nun einmal das katholische Denkmodell. Wer katholisch heiratet, weiß, worauf er sich einlässt. Selbstverständlich kann eine katholisch geschlossene Ehe geschieden werden, aber damit besteht das Sakrament weiter, denn ein weltliches Gericht hat keinen Einfluss auf die der katholisch geschlossenen Ehe zugrunde liegende Idee. Es bleibt in nur der Weg der Annullierung, was aber häufig keine Aussicht auf Erfolg hat, und kann nur klappen, wenn einer die Schuld auf sich nimmt, ein Ehehindernis wie z.B. Zeugungsunfähigkeit verschwiegen zu haben. Auch dies kann man für verlogen halten, ebenso die Praxis, dass jeder eigentlich weiß, dass dann gelogen werden würde, aber formal alles richtig ist,und darum die Ehe auch annulliert werden könnte, also man könnte so tun als habe es sie nie gegeben und hinterher weiter fröhlich seinen katholischen Glauben praktizieren und sich in der Gemeinde engagieren oder dort sein Geld verdienen.
Man könnte diese verlogene Spiel mitmachen, wenn nicht wie bei Dir, unwissend, so viel zusammen käme. Ich vermute, dass Du große Schuldgefühle hast, obwohl Du häufig schreibst, dass ihr beide Euch in der Ehe verloren habt. Aber Du bist katholisch sozialisiert: Also gilt für Dich: Du hast Deine Frau betrogen, also gegen das 6. Gebot verstoßen, was wie Du weißt, eine Sünde ist und umso schlimmer, weil es das Sakrament in Frage stellt. Du hast sie bei der Eheschließung nicht aufrichtig geliebt, sie Ehe hätte gar nicht eingegangen werden dürfen. Alles Dinge, die nur Sinn machen, wenn man sich innerhalb des katholischen Denkmodells bewegt und anderen gar nicht plausibel sein können. Aber für Dich werden diese Dinge, auch wenn Du Dich dagegen wehrst, eine Rolle spielen. Kommt noch hinzu, dass mit dem möglichen Annullierungsgrund Deiner Zeugungsunfähigkeit nicht nur ein (kath.) Ehehindernis vorhanden ist, sondern dass Dich das, sollte es wirklich der Fall sein, tief erschüttert und verstört. Du fühlst Dich, so lese ich es, wenn Deine Ex-Frau diesen Grund nennt, entwertet. Und vielleicht wehrst Du Dich deswegen so sehr dagegen, weil Du Dich nicht selbst entwerten willst. Oder, weil Du vielleicht tief in Dir drin ahnst, dass Du Deine Frau von Anfang an betrogen hast, nicht sexuell, aber weil Du sie eben nicht mit ganzem Herzen geliebt hast. Du hast es verbockt, und Dein Anerkennen des Annullierungsgrundes wäre ein offenes Bekenntnis all Deiner Schuld. Ich vermute, solange Du keinen Weg findest, damit auch religiös umzugehen, wirst Du Dich wehren und auch nicht fertig werden mit dem Scheitern Eurer Ehe.
Insofern ist der Rat, zu einem Seelsorger zu gehen, durchaus sinnvoll. Viele Priester oder PastoralreferentInnen haben auch eine therapeutische Ausbildung, und sie verstehen zumindest die Probleme, die Du durch Deine katholische Sozialisation und Deinen Glauben hast.
lg Else