Marcel1990

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  • #1

Kennenlernphase: Psychotherapie offen legen

Hallo,

Ich habe vor kurzem eine Psychotherapie begonnen aufgrund einer sozialen Phobie. Mir fällt es schwer, viel von mir zu erzählen. Außerdem habe ich ein Problem damit, einer anderen Person fragen zu stellen, da ich mir selbst bei trivialen Fragen einrede, sie wären zu intim und ich sollte die Fragen daher nicht stellen. Zusammenfassend: Ich kann keine ordentlichen Gespräche führen.

Ich habe vor einigen Wochen jemanden kennengelernt, sie ist auf mich zugegangen. Wir hatten zwei Treffen, die wirklich sehr gut verlaufen sind. Ihre Körpersprache hat das überdeutlich zum Ausdruck gebracht. Sie hat auch beim zweiten Treffen gesagt, dass sie sich etwas Längerfristiges vorstellen könnte, ebenso wie ich zu ihr.
Leider waren Treffen in letzter Zeit nicht möglich. Ich habe einmal gefragt, aber sie hatte keine Zeit wegen einer Familienfeier. Das letzte Treffen liegt schon bald drei Wochen zurück.
Die Chats verliefen in letzter Zeit schleppend. Ich bin mir ziemlich sicher aufgrund meiner Phobie. Ich zweifle langsam daran, was ich sagen soll oder ob ich wieder auf ein Treffen bestehen soll.

Zuletzt habe ich ihr einen Morgengruß inkl. Scherz & Kompliment gesandt, den sie gelesen, sich aber nicht wie üblich bedankt hat. Seitdem ist Funkstille, seit fast 4 Tagen. Ungewöhnlich lange für uns.

Ich mache mir Sorgen aufgrund der schlechter werdenden Chats und weil sie nicht auf meinen letzten Gruß geantwortet hat. Mein Therapeut meint, ich sollte nichts überstürzen und ihr Freiraum geben. Ich habe aber das Gefühl, dass sie das Interesse verliert, wenn ich nicht bald was schreibe.

Sollte ich ihr über meine soziale Phobie erzählen? Vielleicht hat sie dann Verständnis, dass ich mich schlecht in den Chats unterhalte. Diese Annahme habe ich auch deshalb, da sie selbst eine Psychotherapie hinter sich hat.
Oder sollte ich mich um andere Dinge kümmern und warten, bis sie wieder schreibt?
Wir hatten so eine gute Zeit, als wir uns gegenüberstanden. Ich hoffe, dass es nicht wegen der Chats zu Ende ist. Oder, weil das letzte Treffen so lange zurückliegt.
 

Markus Ernst

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  • #2
Lieber Marcel,

soziale Phobien gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und verschwinden nur sehr selten von allein. Insbesondere im Erwachsenenalter bleiben die Beschwerden ohne therapeutische Behandlung meist dauerhaft bestehen. Bei fachgerechter Behandlung sind die Heilungsaussichten gut. Die Angst bezieht sich oft auf Situationen, in denen man beobachtet oder bewertet werden könnte – wie bei Prüfungen oder beim Reden in der Öffentlichkeit. Sie kann aber auch in Situationen auftreten, in denen man Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen möchte oder muss, z.B. bei Unterhaltungen mit Fremden, mit Menschen des anderen Geschlechts oder im Umgang mit Autoritätspersonen. Situationen wie diese vermeiden Menschen mit sozialer Phobie möglichst oder halten sie nur unter starker Angst durch.

Sie haben bereits einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung unternommen, indem Sie therapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen. Natürlich können Sie Ihr Verhalten nicht von heute auf morgen ändern, im Laufe der Zeit werden Sie die Phobie aber nach und nach zurückdrängen können und an Sicherheit im Kontakt gewinnen.

Es ist wichtig, dass Sie den gelungenen Kontaktaufbau als Erfolg für sich verbuchen. So konnten Sie erleben, dass es Ihnen einerseits gelingt, einen sozialen Kontakt herzustellen und weiter haben Sie auch positive Resonanz erhalten. Dass der Kontakt nun schleppend verläuft, kann unterschiedliche Ursachen haben. Sie sollten den Grund dafür nicht direkt und ausschließlich in Ihrer Person begründet sehen. Ich würde Ihnen empfehlen, sie nochmal anzuschreiben und zum Bsp. fragen, ob sie beide mal telefonieren wollen. Wäre das für Sie vorstellbar? Wenn es dann wieder zu einem Austausch kommt, können Sie durchaus auch Ihre persönliche Situation ansprechen, zumal sie ja offenbar auch von ihrer eigenen Therapie berichtet hat und in diesem Punkt sehr offen zu sein scheint.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und alles Gute!

Herzliche Grüße,
Markus Ernst