Ich denke, das ist eine Frage, wie fein man Wunden und die Folgen ihres Auslebens wahrnimmt, vielleicht auch, wie stark man sich damit beschäftigt hat.
Das ist mir eigentlich schon klar. Ich hatte mich auf deinen Post bezogen, bei dem es um die Belastungen der Beziehungen ging.
Natürlich heilen sie. Sie können nicht nur, sie tun es.

Im Moment bedeutet das für mich auch immer noch viel Arbeit, z.B. aktuell bin ich in einer neuen, tieferen und feiner spürbaren Verarbeitungsschlaufe, da ich seit ein paar Wochen gar keine Medikamente mehr nehme. Aber ich bin überzeugt, dass danach die aktuell noch täglich nötige innere Arbeit weniger werden wird. Ich bekomme für all die Anstrengung aber auch viel "Lohn", viele Momente des Glücks, mehr Handlungsoptionen, mehr Offenheit, Lebensenergie, Zufriedenheit, Neugierde und Experimentierfreude und ganz wichtig: das tiefe Gefühl, endlich mein Leben zu leben. (Das ist mir viel wert, es wiegt auch sehr schwierige Momente oder gar Tage auf!)

Diese jahrelang gemachten und immer stärker spürbaren Erfahrungen, dass es sich lohnt und wie es geht, zeigen mir ganz klar die Bedeutung davon. Vielleicht bin ich auch deshalb manchmal ein wenig "missionarisch" unterwegs: Ich würde es anderen auch gönnen, solche Erfahrungen zu machen. Und für mich ist ein solcher Heilungsweg halt auch eine spirituelle Sache, ist im Kleinen auch ein Abbild vom Grossen und vom ganz Kleinen. Das muss ja nicht jeder verstehen und es muss auch nicht jeden interessieren, aber ich lasse mir doch nicht verbieten, dass es für mich wichtig ist, und dass ich darüber spreche und schreibe! Auch nervt es mich manchmal, wenn andere mich dauernd zuklönen oder mein offenes Ohr oder meine Unterstützung wollen mit ihren ewiggleichen Problemen, aber meine Anregungen, die werten sie ab und mich gleich mit. Ich weigere mich inzwischen aber immer mehr, Sisyphus zu spielen. Auch das ein Fortschritt: Ich versuche es, wo ich das Gefühl habe, es könnte Sinn machen (und im Forum ist das manchmal auch wegen abwesenden Mitlesenden wichtig), und dort, wo ich es so empfinde, dass die Leute lieber motzen als an sich arbeiten, lasse ich es irgendwann bleiben und widme mich Erfreulicherem.
Was bedeutet es, dass die Wunden (noch) offen sind? Wann sind die Wunden geheilt? Mich dünkt, da gibt es keine klare, kategorische Grenze, sondern es ist ein (immerwährender) Prozess des Heilens, der dazu führt, dass man auf dem Kontinuum zwischen extrem verletzt und null geheilt am einen Pol bis hin zur vollständigen Heilung am anderen Pol (den aber wohl kaum jemand je erreicht) Schrittchen für Schrittchen vorrückt. Auch ist man nicht bei jeder Wunde/jedem Thema gleich weit. Mich dünkt aber, man sollte Retraumatisierungen vermeiden - manche Menschen zieht das sogar an, das finde ich problematisch, wenn auch manchmal verständlich. Mir ist aber auch bewusst, dass ich eine sensiblere Wahrnehmung als die meisten habe - mit beiden Kehrseiten der Medaille und auch mehr Ansprüchen an Stimmigkeit, auf die ich nicht einfach verzichten kann, weil ich und dann logischerweise auch das Gegenüber auch viel stärker darunter leiden, wenn es nicht stimmt für mich, als dies Menschen tun würden, welche die Dinge nicht so hyper-feinfühlig empfinden.
Danke! Schön, dass du das wahrnimmst und äusserst. Du auch, glaube ich.