AW: Emotionale Opportunitätskosten - das Gefühlsdilemma bei der Partnerschaftssuche
Zitat von No_Kitty:
Auf der positiven Seite sind das Hochgefühle durch Komplimente und Aufmerksamkeit, die ich erhalte;
ein fast überwältigendes Angebot, das suggeriert, es gibt für mich genau den richtigen Partner unter dem Angebot - ich muss nur geduldig suchen und die richtigen Kriterien für die Auswahl treffen.
Es gibt auf einmal potentielle Partner, die im realen Leben nicht zu erkennen sind (liebe Grüße an freitag und das Lamento für sitzen statt umherwandern in Kneipen und bei Events). Die Transparenz, mit der man sich hier beschreibt und damit ein Level an Information über potentielle Partner erhält, ist sicher etwas, was als positiv erlebt wird, um Fehlgriffe zu vermeiden.
Der Aufwand Kontakte herzustellen durch die Börse ist 'optimiert' im Vergleich zum Kennenlernen unter Normalbedingungen.
Komplimente und Aufmerksamkeit bekomm ich im "realen Leben" auch, verbunden mit dem Vorteil, dass ich die Aufrichtigkeit bzw. das Anliegen sehr zeitnah erkennen und somit adäquat reagieren kann. Da brauch ich bei der Internetsuche mehr Zeit. Verglichen mit dem "realen Leben" stehen hier praktisch alle bindungswilligen Männer eingefroren (falls Bild eingestellt) in einer Reihe, ich seh keine Bewegungsabläufe und kann auch nicht erkennen, ob sich da jemand nicht mal nur um des guten Fotos und Einducks willen in Position gebracht hat. Fotos nutzen mir also gar nichts und sind deswegen auch völlig uninteressant für mich.
Zudem bin ich auf die Selbstbeschreibung des Gegenübers angewiesen, um zu erkennen. Da wird oft beschönigt und geschummelt, was geht, vieles, möglicherweise auch unbewusst und mehr dem Wunsch folgend, unzutreffend dargestellt. Was bedeutet, dass ich auch hier wieder deutlich mehr Zeit investieren muss, als es im "realen Leben" der Fall ist. Für mich ist der Zeitaufwand bei der Internetsuche deutlich höher, ich finde im "realen Leben" schneller. Allerdings ist auch mein "Gefühlsdilemma" nur im "realen Leben" vorhanden, während ich hier allenfalls irritiert werden kann. Überrascht war ich anfangs nur von den vielen Mogeleien, andererseits wurde der Spaßfaktor für mich damit höher, der ja auch wichtig ist.
Zitat von No_Kitty:
Negativ schlagen ein:
das Gefühl nicht einmalig zu sein, nicht besonders, sondern einer/eine unter vielen.
Mit der Ablehnung umzugehen, die Wegklicken, Verabschiedungstexte und vermasselte Dates mit sich bringen, ist sicher nicht einfach.
Das schwerste aus meiner Erfahrung ist, wenn der Abgleich der realen Person mit dem virtuellen Auftritt und meiner Erwartung negativ ausfällt.
Ich seh für mich da nichts Negatives. Ich weiß, mich gibt es nur einmal, ich bin einzigartig. Gleichzeitig bin ich doch aber auch Teil verschiedener Gruppen im sozialen Gefüge. Je größer die Gruppe, desto irrelevanter wird meine Einzigartigkeit. Was ich in einer Beziehung tagtäglich zu spüren bekomme, erfährt ja als eine von vielen Frauen auf dieser Welt überhaupt keine Beachtung. Auf einer Singlebörse bin ich halt auch nur eine von vielen, von daher also zunächst mal nichts Besonderes. Je kleiner die Gruppe, in der man sich bewegt, desto "besonderer" wird man für die anderen innerhalb dieser Gruppe.
Ablehnung, Wegklicken, Verabschiedungstexte etc. machen mir nichts aus, es soll ja passen. Vermasselte Dates hatte ich nicht, da kann ich nicht mitreden.
Zitat von No_Kitty:
Diese oder ähnliche Gefühle haben wir auch in anderen Lebensbereichen - Job oder Wohnungssuche (s.o). Dort wissen wir aber, dass wir damit umgehen müssen.
In der Partnerschaftssuche haben wir Probleme - der Wunsch nach Einmaligkeit und 'Schicksal' steht der Marktplatzsituation / Berechenbarkeit einer Partnerschaftsbörse entgegen. (siehe auch die von Parship angegebene Erfolgsquote von 38%)
Schlimmer noch, das Systematische der Börse, was Möglichkeiten eröffnet, frustriert und belastet mit negativen Gefühlen.
So, also ist es doch ein klassisches Dilemma .... wir haben ein System mit Spielregeln, und dass diese greifen, ist uns als Menschen dann auch nicht recht.
Wie empfindet ihr diese Situation, was sind eure Mechanismen damit umzugehen, oder ist es für euch gar kein Problem?
Ich hätte kein Problem, als 17. Bewerber für einen Job und eine Wohnung akzeptiert zu werden, den bzw. die ich unbedingt will, um auf obiges Beispiel einzugehen. Ich wär ja schließlich das Resultat für ganz hervorragende Auswahlkriterien und Ansprüche und die Anbieter hätten genau das, was sie so lange suchten ;o). Bezogen auf eine Singlebörse seh ich das ähnlich, hatte aber oft das Gefühl, auf einen "ewig Suchenden" zu treffen, sprich wenig Realitätssinn und Erwartungen in Kombinationen, die ich nicht erfüllen kann und auch nicht erfüllen möchte.
Ich glaube ja, mir hilft da mein recht gut entwickelter Pragmatismus, auch mit solchen, von dir eher negativ besetzten, Dingen sehr gelassen umzugehen. Ich halt's außerdem für wichtig, dass (m)ein Partner zumindest sehr ähnlich gestrickt ist, heißt für mich, ein starker, selbstbewusster Partner, humanistisches Weltbild, aktives Unterwegssein und, last not least, gorgeous humor :-D