AW: dialekt
Griaßd eich,
als überzeugter Dialektsprecher muss ich zu diesem Thema jetzt doch noch meinen Senf dazugeben.
Ganz unabhängig von den persönlichen Vorlieben oder Aversionen muss ich nämlich doch einen anscheinend verbreiteten Irrtum korrigieren, wie er sich z.B. in folgendem Zitat (von equinox) zeigt:
"Immerhin vermitteln gelegentliche Aufenthalte in dortigen Landeshauptstadt [gemeint ist Stuttgart] eher den Eindruck, dass sich auch hier endlich eine gewisse Normalität in Sachen Hochdeutsch einstellt."
Es ist durchaus nicht so, dass die deutschen Dialekte eine Abweichung von einer "normalen" hochdeutschen Sprache wären. Die deutsche Sprache ist in Form vieler Dialekte entstanden, ohne dass es jemals einen einheitlich von allen deutschsprachigen Menschen verwendeten Standard gegeben hätte. Die hochdeutsche Sprache wurde erst in den letzten Jahrhunderten als gemeinsamer Nenner (wenn auch unter weitgehender Ignorierung der niederdeutschen Dialekte) entwickelt, damit man sich problemlos untereinander verständigen konnte, ohne auf Latein oder Französisch ausweichen zu müssen. Unser Hochdeutsch ist eine Kunstsprache! Und auch wenn das viele nicht gerne hören, auch die Helden der hochdeutschen Literatur wie Schiller und Goethe haben zunächst mal Dialekt gesprochen und bis zu einem gewissen Maße auch geschrieben.
Jedenfalls ist Hochdeutsch gut zur Verständigung über die Dialektgrenzen hinaus geeignet, so wie Englich es ermöglicht, sich in vielen Ländern halbwegs verständigen zu können. Und schriftlich ist Hochdeutsch aufgrund langer Gewöhnung selbst für den praktisch nur Dialekt sprechenden leichter verständlich. Deshalb ist es sicher in Ordnung, auf hochdeutsch zu schreiben, aber wie man im Privaten spricht, ist eine ganz andere Sache.
Noch ein zweiter Gedanke zum Thema Dialekte: Im Allgemeinen lehnen es die meisten Deutschen vermutlich ab, wenn Kulturen anderer Völker zerstört werden. Die meisten würden es wohl auch als unerfreulich empfinden, dass ein ziemlich großer Teil der Sprachen auf der Welt mehr oder weniger akut vom Aussterben bedroht ist. Und warum sollte man es schlecht finden, wenn anderswo Völker ihrer sprachlichen Identität beraubt werden, gleichzeitig aber unsere deutschen Dialekte ablehnen? Wie hier schon gesagt wurde, eine Sprache ist auch nur ein Dialekt mit Flotte... in letzter Konsequenz müsste doch eigentlich jeder, der Dialekten ablehnend gegenüber steht, den Zeitpunkt herbeisehnen, an dem alle Menschen nur noch ein einziges Einheitsbrei-Englisch sprechen...
Na dann, guad Nocht!